Schnell schwindendes Meereis - Interview mit Professor Peter Wadhams – Teil 1/2   
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Professor James Hansen, ein führender Klimawissenschaftler der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde (NASA) warnt davor, dass unser Planet, wenn die globale Erwärmung im derzeitigen Tempo weitergeht, schnell einen Kipppunkt erreichen wird, nach dem ein unbeherrschbarer Klimawandel stattfindet.

Dann wird unseren Planeten nichts vor den pausenlosen Katastrophen retten können, wie z. B. die vollständige Überflutung der Küstenstädte durch die Meere, extreme Temperaturen, katastrophale Stürme und Überschwemmungen, die alles zerstören, das sich ihnen in den Weg stellt.

Eines der Warnsignale dafür, dass wir auf dem Weg der Zerstörung sind, ist das rapide Schmelzen des Meereises, der Gletscher und der Eismassen in und um die Arktis und Antarktis herum. Durch das verschwindende Eis wird die Spiegelung der Polareiskappe am Nordpol reduziert. Wenn das geschieht, werden die Sonnenstrahlen absorbiert und nicht in den Weltraum zurückgeworfen, was zu wärmeren Meeren, noch weniger Eis und einer heißeren Welt führt. Die steigenden der Meerestemperaturen verursachen den schnellen Rückgang des Meereises. 2009 schätzten die Wissenschaftler des Nationalen Schnee- und Eisdatenzentrums der USA (NSIDC) dass in der Arktis nur 10 % des Eises älter und dicker und 90 % neu gebildet und dünner ist.

Heute erörtert Professor Peter Wadhams von der Universität Cambridge, GB die Folgen dieser beunruhigenden fortdauernden Vorgänge.

Ich heiße Peter Wadhams. Ich bin Professor für Meeresphysik hier in der Abteilung für Angewandte Mathematik und Theoretische Physik der Universität Cambridge. Ich bin spezialisiert auf die Erforschung des Meereises und leite eine Forschungsgruppe, die die Dicke und die Eigenschaften des Meereises die Bewegung des Meereises und im Moment natürlich die klimatischen Auswirkungen des Meereises untersucht - die Tatsache, dass es am Verschwinden ist.

Dazu muss man in der Arktis und in der Antarktis arbeiten und mit Unterwasserfahrzeugen die sich verändernde Dicke des Eises messen. Wenn man sich die letzten 20 bis 25 Jahre anschaut, so hat die Arktis fast die Hälfte ihrer Dicke verloren - nur in diesem Zeitraum. Und das ist ein größerer Verlust als das sich verkleinernde Gebiet, die Arktis schrumpft also. Sie wird schnell dünner, sie verschwindet auf vertikaler Ebene, bevor sie seitlich verschwindet. Sie ist an dem Punkt, an dem das Meer wärmer und die Lufttemperatur wärmer ist.

Wir sind also dabei, einen Kipppunkt – wie Sie es nennen würden – zu erreichen, an dem die Eisschmelze im Sommer nun groß genug ist, dass das ganze Wintereis verschwindet und nur das ältere Eis am Ende des Sommers übrigbleiben wird. Die Eismenge, die jedes Jahr verschwindet, ist sprunghaft angestiegen.

Wenn dieses schädliche Muster anhält, wird das Meereis weiter schwinden, bis es vollständig verschwindet. Wenn wir nicht handeln, ist der Tag dieser undenkbaren Möglichkeiten näher als die meisten von uns sich vorstellen.

Die Unterwasserdaten und die Klimamodelle zeigen sowohl ein fortgesetztes Ausdünnen als auch einen fortgesetzten Rückgang. Die Modelle zeigen eigentlich eine große Anzahl von Voraussagen, wobei die Konservativen sagen, dass vielleicht in 20 bis 30 Jahren das ganze Meereis in den Sommermonaten verschwunden sein wird, besonders im September. Aber einige Voraussagen besagen, dass das schneller eintreten wird. Ich befürchte, dass das schneller passieren wird, denn viele neue Prozesse kommen da ins Spiel. Es wird viel mehr Wellenenergie erzeugt, weil wir nun größere Meeresgebiete haben, die früher von Eis bedeckt waren. Und die Wellen kommen herein und brechen das Eis weiter auf. Weil das Eis nicht von Landmassen behindert wird, kann es sich ausdehnen und abbrechen. Die Geschwindigkeit des Zerfalls oder des Rückgangs wird zunehmen, da das eigentliche Gebiet viel kleiner wird. Schließlich wird es sein wie ein Sturz von den Klippen, es wird alles verschwinden.

Welche weiteren negativen Folgen des Meereisschwundes gibt es?

Das Wasser um den Festlandsockel der Arktis herum ist sehr seicht. Es ist weniger als 100 Meter tief. Da sich das Eis im Sommer zurückzieht, kann sich das Wasser erwärmen und die Sonnenstrahlen absorbieren, die die ganze Wassersäule bis hinunter zum Meeresboden erwärmen

Man kann jetzt im Sommer bis zu 5 Grad Celsius haben. Das bedeutet, dass der Meeresgrund fünf Grad Celsius erreicht. Das genügt, um den Permafrostboden am Meeresgrund aufzutauen. Und der auftauende Permafrostboden setzt Methan und Methandydrate frei, die darunter eingeschlossen sind. Man wird also überall an den Rändern der Arktis im Sommer Methanfreisetzungen haben. Sie wurden bereits an der sibirischen See entdeckt und wir werden sie wahrscheinlich überall haben. Das bedeutet, dass das Methan in der Atmosphäre zunehmen wird.

2010 erforschte ein Team, geleitet von Dr. Natalia Shakhova von der russischen Akademie der Wissenschaften, das ostsibirische arktische Eisschelf und nahm Proben der Methankonzentration in verschiedenen Ozeantiefen. Es fand heraus, dass jährlich eine gigantische Menge von sieben Megatonnen Methan von dem Schelf freigesetzt wird, wobei jede Megatonne 1,1 Mio. Tonnen Kohlenstoff entspricht. Diese Menge entspricht der Methanmenge, die alle Ozeane auf der ganzen Welt jedes Jahr freisetzen. Methan hat über einen Zeitraum von 20 Jahren gesehen das 72-fache Erwärmungspotenzial von Kohlendioxid. Methan, das als eines der „kurzlebigeren“ Treibhausgase bekannt ist, wurde als eines der wichtigsten Gase identifiziert, die schnell reduziert werden müssen, damit der Planet beginnt abzukühlen.

Es ist ein sehr starkes Treibhausgas, obwohl es kurzlebiger ist als Kohlendioxid. Wenn man also einen großen Methanausstoß hat, hat das einen starken unmittelbaren Effekt auf die globale Erwärmung, ein wirkliche Beschleunigung, und die Nachwirkungen dauern etwa 7 Jahre, bis es sich auflöst. Wir werden wahrscheinlich fast das ganze Methan aus dem Festlandsockel der Arktis bekommen und an Land eine ziemliche Menge von unter der Tundra. All das wird innerhalb weniger Jahre freigesetzt und hat einen riesigen Anstieg der globalen Erwärmung zur Folge. All diese Folgen sind leider positive Rückkopplungen, wobei ein Effekt eine Rückkopplung erzeugt, die zu einer Verstärkung des nächsten Effekts führt. Und das geschieht dort, wo durch den Verlust des Meereises, der hauptsächlich aufgrund der Erwärmung stattfindet, viel Methan durch das sich bildende offene Wasser abgegeben wird. Dadurch erhöht sich der Methananteil in der Atmosphäre, was wiederum die Erwärmung verstärkt. Das erhöht die Geschwindigkeit des Meereisverlusts.

Kohlendioxid ist langlebiger, weil es Teil des Kohlenstoffzyklus ist; es wird vom Ozean und der Vegetation an Land aufgenommen, wird dann aber wieder vom Ozean freigesetzt, nachdem es vom Plankton absorbiert und beim Absterben des Planktons wieder abgegeben wurde.

Es gibt eine enorm große Zahl an unterschiedlichen Verläufen, durch die das Kohlendioxid - ein Impuls, den wir in die Atmosphäre geben - langlebiger ist, weil es auf verschiedene Arten absorbiert, dann aber wieder ausgestoßen wird. Es ist etwa 100 Jahre anwesend. Es dauert also 100 Jahre bis die Wirkung eines großen Kohlendioxidausstoßes vollständig verschwindet.Methan ist zwar Molekül für Molekül stärker, aber seine Wirkung geht schneller vorbei.

Ein weiterer sehr starker Klimakiller ist Ruß. Sein globales Erwärmungspotenzial ist- berechnet auf einen Zeitraum von 20 Jahren - 4.700 Mal höher als der Treibhauseffekt des Kohlendioxids.

Viele Studien über Ruß zeigen, dass er eine wichtige Rolle bei der globalen Erwärmung spielt und eine weitere wichtige Ursache für den Rückgang des Meereises ist. Ruß ist ein Luftschadstoff und wird von der Atmosphäre abgegeben, er ist also kurzlebig. Wenn er sich in der Atmosphäre befindet, trägt er dazu bei, dass die hereinkommende Strahlung absorbiert wird. Wenn sich Ruß auf Eis oder Schnee ablagert, schwärzt er die oberste Lage. Und statt das Sonnenlicht zurückzuwerfen, wie das unter normalen Bedingungen geschieht, nimmt die geschwärzte Oberfläche die Sonnenstrahlen auf, die wiederum die Umgebung aufwärmen. Dadurch schmilzt noch mehr Eis. Die durchschnittlichen Meerestemperaturen sind im letzten Jahrhundert weltweit zwischen einem halben und einem Grad angestiegen und auch der durchschnittliche Salzgehalt des Ozeans hat sich durch die Zufuhr von Frischwasser aus der Gletscherschmelze reduziert.

Es gibt also zwei sehr leicht messbare Folgen für den Ozean. Und die größte ist natürlich die Erwärmung des Ozeans, die dazu führt, dass das Meereis zurückgeht.

Eine 2009 vom Worldwatch Institut publizierte Studie hat errechnet, dass mindestens 51 % des von den Menschen erzeugten globalen Treibhausgasausstoßes aus dem Herstellungs- und Konsumkreislauf tierischer Produkte stammt. Zu diesem Kreislauf gehören Rinderweiden, die in der Folge zu riesigen unfruchtbaren Gebieten werden, die kein CO2 mehr aufnehmen können, und die Rodung des kostbaren Regenwaldes für den Futteranbau, der auch als Kohlenstoffsenke fungiert.

Die Nutztierindustrie erzeugt jährlich die Freisetzung von etwa 37 % des weltweit von Menschen freigesetzten Methans. Wenn die Menschheit daher auf Pflanzenkost überginge, würde sich die Freisetzung giftiger Treibhausgase verringern, die den immensen Meereisverlust und den Anstieg der globalen Temperaturen verursachen. Eine vegetarische Ernährung würde auf vielerlei Weise helfen. Eine ist die Reduzierung der Landmenge, die für die Aufzucht von Nutztieren gebraucht wird - und es sind enorme Mengen, besonders da die Welt dazu tendiert, sich mit noch mehr Fleisch zu ernähren.

Wir danken Ihnen, Professor Peter Wadhams, für Ihre deutlichen Erklärungen dazu, welchen Gefahren unser Planet gegenübersteht und dass die Welt gegen das schnelle Verschwinden des Meereises und der Polareiskappen vorgehen muss.

Mögen Sie weiterhin Ihre sehr wichtigen Forschungen erfolgreich fortsetzen, die uns allen unbezahlbare Informationen über den Zustand der Arktis, der Antarktis und auch unseres Erdklimas bringen.

Besorgte Zuschauer, bitte schalten Sie wieder ein am nächsten Mittwoch zu Planet Erde: unser liebevolles Zuhause und sehen Sie den Schluss unseres Gesprächs mit Professor Peter Wadhams über den Zustand von Arktis und Antarktis.

Weitere Details über Professor Peter Wadhams, finden Sie auf www.DAMTP.cam.ac.uk/people/p.wadhams

Danke fürs Zuschauen bei unserer heutigen Sendung. Am Anschluss sehen Sie Erleuchtende Unterhaltung, nach Bemerkenswerte Nachrichten. Mögen wir immer unser Bestes geben, um für unsere Welt zu sorgen. 


 
 
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